1. Frau Asgodom, Sie coachen seit über 30 Jahren nicht nur Führungskräfte, sondern auch Studierende auf dem Sprung in ihre Karriere. Was beschäftigt die jungen Menschen vor allem in dieser Lebenssituation?
Die Fragen junger Menschen haben immer mit Selbstzweifeln und Unsicherheit zu tun, egal in welchem Jahrzehnt. Wer bin ich? Was kann ich? Was will ich? Ich arbeite gern mit ihnen an ihrem Stärkenprofil, nutze dabei auch die Starkstellenanalyse nach Martin E. Seligman. Ich finde Coaching-Fragen wichtig, die wissen wollen, was der junge Mensch gern macht und was ihm leichtfällt. Erstaunlicherweise glauben die meisten Menschen, dass das, was ihnen leichtfällt, nichts Besonderes ist. Deshalb zitiere ich gern Martha Beck, eine amerikanische Autorin, die einmal geschrieben hat: „Immer, wenn du sagst, das ist doch ganz einfach, bist du deinem Genie am nächsten.“

2. Haben sich die Anliegen der sogenannten "Generation Y" verändert im Vergleich zu den anderen Generationen?
Was sich geändert hat, ist die Vorstellung über ein geglücktes Leben. Waren es vor 30 Jahren eher Fragen nach einem sicheren Arbeitsplatz, veränderte es sich später zu Aufstiegschancen, also Karriere. Heute fragen junge Menschen öfter nach einer sinnvollen Beschäftigung und Work-Life-Balance. Sie wollen nicht mehr so leben und arbeiten wie ihre leistungsversessenen Eltern. Viele junge Menschen wollen heute ein „Warum“ für ihre Arbeit haben, was bringt sie der Welt, und lässt sie genügend Zeit für ein erfülltes Leben mit Familie, Kindern, Hobbys, Freunden…?

3. Welche Qualitäten braucht es Ihrer Meinung nach für Studierende, um erfolgreich ihr Berufsleben zu starten?
Sie sollten möglichst schnell lernen, sich nicht auf ihre Abschlüsse und gute Noten zu verlassen, sondern lernen zu kommunizieren. Aus einer amerikanischen Studie wissen wir, dass beruflicher Erfolg aus drei Komponenten besteht: Der Leistung, dem Auftreten und der Bekanntheit, bedeutet aus der Fülle der Kontakte und Beziehungen. Nach dem Motto: „Wenn mich niemand kennt, kann mich auch niemand fragen, ob ich an dem spannenden Projekt mitarbeiten möchte.“ Kommunikation bedeutet Offenheit, Interesse an anderen Menschen, Neugierde, zuhören können und auch die Bereitschaft, mich selbst zu zeigen.

4. Haben Sie in Ihren Coachings einen besonderen Tipp, wie ihnen dieser Sprung gelingen kann?
Ich empfehle Selbst-PR. Das ist die Kunst, ins Gespräch zu kommen und sich ins Gespräch zu bringen. PR kennen wir alle, da sagt jemand etwas Gutes über ein Produkt. Und Selbst-PR bedeutet, dass ich andere Menschen dazu bringe, Gutes über mich zu sagen. Dazu muss ich allerdings erst einmal sichtbar werden. Ich sollte von meinen Ideen reden und von meinen Erfolgen, mich in Diskussionen einbringen und mir Verbündete suchen.

5. Spontan kommt mir da natürlich das Sprichwort "Eigenlob stinkt" in den Sinn! Ist die Akzeptanz dieser Selbst-PR gleich gross bei den männlichen wie bei den weiblichen Studierenden? Oder beobachten Sie Unterschiede?
Ja, den Begriff "Eigenlob stinkt" kennt fast jeder Mensch, und viele junge Menschen sind immer noch zu schüchtern, gut von sich selbst zu sprechen. Vor allem junge Frauen benutzen immer noch zu viele "Kleinmacher" wie „Eigentlich kann ich ganz gut…", „Ich kenne mich so ein bisschen aus mit…", „Ich denke, ich kann ganz gut…" Es macht einen Unterschied ob ich sage „Ich habe ein Jahr in einem Unternehmen Praktikum gemacht" oder „Ich habe ein Jahr lang als Werkstudentin bei einem großen Automobilzulieferer in der Marketingabteilung Kundenrecherchen gemacht und Messen mit vorbereitet." Ein bisschen Trommeln gehört zu einer guten Selbst-PR. Dazu muss ich aber nichts erfinden, sondern die Sachen gut beschreiben, die ich kann oder gemacht habe.

6. Was müssen die jungen Frauen denn anders machen, um nicht nur einen erfolgreichen Karriereeinstieg zu haben, sondern auch ganz vorne an der Spitze mit dabei zu sein?
Frauen sollten die Erfolgs-Kommunikation beherrschen. Sie arbeiten oft sehr tüchtig und gut, reden aber nicht über ihre Arbeit, erzählen nichts von ihren Bemühungen und guten Resultaten. Also öfter ruhig mal Zwischenbericht geben: „Wir haben die offenen Fragen gelöst, der Kunde ist sehr zufrieden." Oder: „Die Vorbereitungen für das Firmenevent sind weitgehend abgeschlossen, nächste Woche können wir die Einladungen rausschicken." Frauen denken oft, „das ist doch nichts Besonderes, das ist halt meine Arbeit, klar, dass ich die ordentlich mache." Kleine Erfolgsmeldungen erzeugen ein positives Bild von ihnen. Und noch ein Tipp: Öfter mal „Ich" sagen statt wir. „Ich habe mit den Kollegen vom Vertrieb die Strategie für den Relaunch entwickelt." Denn: „Eigenlob stimmt!"

Vielen Dank für unseren Austausch!

 

Sabine Asgodom ist Management-Trainerin und Expertin für Persönlichkeitsentwicklung. In ihren Seminaren und Coachings arbeitet sie mit Mitarbeitenden genauso wie mit Führungskräften und Unternehmerinnen. Viele ihrer über 34 Bücher wurden Bestseller, die unter anderem ins Schwedische, Englische, Polnische, Italienische, Chinesische oder Koreanische übersetzt wurden. In ihrem Buch „Eigenlob stimmt" zeigt Sabine Asgodom, wie man wirkungsvoll präsentiert, wer man ist und was man kann. Wer nach oben will, muss Öffentlichkeitsarbeit für sich selbst leisten. In der Asgodom-Coach-Akademie bildet sie selber Coaches aus: www.asgodom.de

 

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Zur Autorin
Dieses Interview führte Frau Christina Sandau-Jensen, Karriereberaterin an der Universität St. Gallen (HSG).


"Unsere Studierenden und berufserfahrenen Akademiker begleite ich mit viel Passion. Als ausgebildeter Coach im lösungsorientierten Kurzcoaching (LOKC) greife ich dabei auf über 20 Jahre Erfahrung im öffentlichen und privaten Sektor (insbesondere in der Finanzbranche und in der UN) zurück."

 

VON
Christina Sandau-Jensen

Christina Sandau-Jensen

Beraterin Student Career Services