1. Wie kann die Technik «Design Your Life» Studierenden dabei helfen, ihr Studium und ihre Karriere weiter oder sogar neu zu gestalten?

«Design Your Life» - oder auch «Life Design» genannt- nutzt das Modell, die Methoden und vor allem das Mindset von «Design Thinking» und wendet es auf die Herausforderungen in der Karriere und im eigenen Leben an - statt auf Business-Probleme. Im Zentrum steht der Gedanke sein eigener Designer seines Lebens zu werden und dies mit Mut und Empathie. Zusammen mit einem «Life Design Team» erschliesst man zunächst die wahrhaftige berufliche oder private Problemstellung mit Fragen wie «Erzähl mir mehr..?», «Was meinst du genau..?» etc. Ist die Problemstellung geklärt, bildet diese die Ausgangslage für Ideen, die dann wiederum in Prototypen umgesetzt und getestet werden. im «Life Design» geht es vor allem mit einem „bias to action“ darum, Erlebnisse zu machen und von diesen zu lernen, denn Erlebnisse sind eine bessere Grundlage für Entscheidungen als Annahmen. Bestimmte Glaubenssätze wie z.B. „Ich muss erst lange nachdenken, dann ausführlich planen und erst dann kann ich loslegen“ werden somit obsolet. Kreative Lösungen für das Leben und für die Karriere werden somit durch mutige, empathische Fragen, Zusammenarbeit im Team, interdisziplinäres Denken und bauen von Prototypen möglich – sowie den Mut zu Fehlern.

2. Haben Sie hierfür ein Beispiel?

Eine Kollegin von mir arbeitete als Management Consultant. Da ihr der Job aber nicht mehr so gut gefiel, wollte sie lieber ihr Hobby Yoga zum Beruf machen und Yoga-Lehrerin werden. Als ihr «Life Designer» riet ich ihr zunächst von einer voreiligen Kündigung und einem drastischen Berufswechsel ab. Vielmehr versuchten wir zunächst einmal gemeinsam herauszufinden, was genau hinter ihrem Wunsch, Yogalehrerin zu werden, wirklich stand. Fragen wie „Erzähl mir mehr davon…“ oder „Was ist es genau, was Dich daran interessiert?“ halfen in diesem Prozess sehr aufschlussreiche Erkenntnisse zu erhalten. Auf Basis dieser Informationen überlegten wir gemeinsam, wie man diesen Wunsch «prototypen» könnte, sprich eine Mini-Erfahrung schaffen, um diesen Wunsch im Kleinformat zu erleben, ohne grosse, berufliche Risiken – wie bspw. eine voreilige Kündigung - vorzunehmen. So beschloss meine Kollegin ihren Job zunächst zu behalten und nebenbei einmal im Monat sonntags einen Yogakurs, den sie «Yoga for friends» nannte, selber zu geben. Nachdem sie diesen 4x durchgeführt hatte, habe ich sie gefragt: «Wie läuft es mit Deinem Prototyp?» Ihre klare Antwort lautete: «Ich möchte keine Yogalehrerin mehr werden.» Es war nicht negativ gemeint. Ihr ist einfach beim Umsetzen ihres Wunsches in Form eines Prototyps aufgefallen, dass dieser Beruf Tätigkeiten beinhaltete, die sie entweder noch nicht bedacht hatte, mehr Aufwand kosteten oder ihr nicht wirklich gefielen, wie bspw. Räume zu mieten, Leute zu akquirieren oder die Energie der Teilnehmenden zu managen. Ihre Erkenntnis daraus war jedoch nicht kein Yoga mehr zu machen, sondern einfach keine Vollzeit Yoga-Lehrerin zu werden. Demnach arbeitet sie heute nebenbei als Yoga-Lehrerin einmal pro Woche und das reicht ihr völlig aus. Sie hat also ihre Vorstellung wie es ist Yoga-Lehrerin zu sein mit einem kleinen Erlebnis verifiziert. Sie sagt, jetzt sei sie viel entspannter, weil sie es getestet und einen Weg gefunden hat, die Idee in ihr Leben zu integrieren. Genau das ist «Life Design».

3. Wie hat diese Technik Ihr Leben geprägt?

Mein Leben wurde durch «Life Design» stark verändert. Ich habe eine ganz andere Haltung gegenüber meinen beruflichen und privaten Ideen, Träumen und Visionen. Statt endlos über diese nachzudenken und sie vorschnell als gar «unrealistisch» abzutun, versuche ich sie jetzt viel schneller ernst zu nehmen und zu verstehen. Durch Prototypen ersetze ich meine Annahmen mit Erfahrungen und beginne eine Idee, einen Traum oder eine Vision umzusetzen. Das ist wahnsinnig befreiend und macht mich entscheidungsfreudiger und zukunftsgewandter. «Life Design» hat neben meinem eigenen Leben auch das Leben anderer geprägt, da ich mit dem Modell, den Methoden und vor allem mit dem Mindset nicht nur meine Workshop-Teilnehmenden, sondern auch mein persönliches Umfeld begonnen habe zu infizieren. Es ist schön zu sehen, wie andere ihr Leben mit «Life Design» aktiver und mit Selbstverantwortung angehen. Dabei geht es oftmals gar nicht um grosse heroische Veränderungen, sondern vielmehr um kleine Veränderungen, die aber viel bewirken können.

4. Im Zeitalter der Digitalisierung wird viel über die Bedeutung der Agilität gesprochen. Inwiefern greift das «Design Your Life»-Prinzip diesen Gedanken auf?

«Life Design» macht Menschen agiler, weil es hilft schneller zu verstehen, was sich hinter den Wünschen nach Veränderungen wirklich verbirgt, was Träume bedeuten und was sie antreibt. Zusammen mit einem radikalen und schnellen Austausch in den «Life Design Teams» und dem „bias to action“ Dinge auszuprobieren und Ideen zu verifizieren, hilft es den Menschen ins „Handeln“ zu kommen und Entscheidungen nicht auf der Basis von Annahmen, sondern auf der Basis von eigenen Erkenntnissen sowie Erlebnissen zu fällen.

5. Wann würden Sie den Studierenden empfehlen diesen Kurs zu besuchen?

Ich empfehle den Studierenden den Kurs sobald als möglich zu besuchen. Er hilft ihnen besser zu verstehen, was für sie wahrhaftig im Leben und in der Karriere wichtig ist, und gibt Aufschluss darüber, was sie wirklich interessiert und worin sie gut sind. Das Modell, die Methoden und das Mindset helfen ihnen nicht nur ihre eigene Karriere und ihr eigenes Leben voranzubringen, sondern auch andere Studierende kennenzulernen. In den «Life Design Teams» gestalten sie zusammen Prototypen und schauen gemeinsam, was das für das Leben bzw. für die Karriere bedeuten kann. Sie lernen Zusammenhänge schneller zu verstehen, Annahmen zu verifizieren und kleine Experimente zu machen. Diverse Studien zeigen, dass durch den Besuch eines «Life Design Workshops» die Teilnehmenden weniger Karriereangst, jedoch mehr Zuversicht für die Zukunft haben. Sie kümmern sich aktiver um ihre Karriere und ihr Leben, statt nur als Passagier mitzulaufen.

Wir danken Ihnen für Ihr Gespräch!

 

Zusätzlich zu seinem Lehrauftrag an der der Universität St. Gallen (HSG) am Institut für Medien- und Kommunikationsmanagement leitet Dr. Sebastian Kernbach das Life Design Lab (www.lifedesignlab.ch) und das Visual Collaboration Lab (www.vicola.org) und ist Gastprofessor an der Central University of Beijing und der African Doctoral Academy. Als Manager und Berater war er zudem für verschiedene Organisationen tätig, u.a. Xerox, Interbrand, Art Basel, ABB, Europäische Zentralbank. Seine aktuellen Bücher heissen „Meet up! Bessere Meetings durch Nudging" (www.meetupbuch.de) und „Creativity in Research" (www.creativityinresearch.org). Der Schwerpunkt von Dr. Kernbach für Forschung, Lehre und Beratung liegt in den Bereichen Wissensvisualisierung, Managementkommunikation, Storytelling und Design Thinking.

https://www.youtube.com/watch?v=j8gBVJjhkYs

Quelle: YouTube.com

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Zur Autorin
Dieses Interview führte Frau Christina Sandau-Jensen, Karriereberaterin an der Universität St. Gallen (HSG).


"Unsere Studierenden und berufserfahrenen Akademiker begleite ich mit viel Passion. Als ausgebildeter Coach im lösungsorientierten Kurzcoaching (LOKC) greife ich dabei auf über 20 Jahre Erfahrung im öffentlichen und privaten Sektor (insbesondere in der Finanzbranche und in der UN) zurück."

 

VON
Christina Sandau-Jensen

Christina Sandau-Jensen

Beraterin Student Career Services